Newsletter TRANSFERkompakt Dezember 2021

Thema: DKBM als wirksames Instrument zur Armutsprävention.

Armut ist häufig ein Kreislauf: Kinder, die in relativer Armut aufwachsen, haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, auch im Erwachsenenalter arm zu bleiben (vgl. zum Beispiel Schieck/Ullrich 2018). Bildung stellt dabei einen wichtigen Baustein für das Durchbrechen des Armutskreislaufes dar (vgl. zum Beispiel Butterwegge 2019), weshalb datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement (DKBM) als wirksames Instrument eingesetzt werden kann, das auf vielfältige Art und Weise die Chancengerechtigkeit unterstützt. 

Armut in Deutschland

Im nationalen Zusammenhang ist bei der Verwendung des Begriffes Armut zumeist der relative Armutsbegriff impliziert.  Unter diesem wird ein zur Verfügung stehendes Einkommen verstanden, das unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums liegt. Laut Definition des Rates der Europäischen Gemeinschaft bedeutet dies, dass Menschen aufgrund des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes, von der vom Staat, in dem sie leben, als Minimum definierten Lebensweise ausgeschlossen sind. In der Sozialberichterstattung wird üblicherweise ein Wert von 50 Prozent des Medianeinkommens angesetzt, bereits bei 60 Prozent liegt ein erhöhtes Armutsrisiko vor (vgl. DIW Berlin: Armut). In Deutschland liegt die Armutsgefährdungsschwelle für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei einem Einkommen von 29.560 Euro. Werden Sozialleistungen eingerechnet, so lag der Anteil an armutsgefährdeten Menschen im Jahr 2020 bei 18,5 Prozent, rechnet man diese heraus, erhöht sich der Anteil auf 27,0 Prozent (vgl. Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdung (monetäre Armut) in Deutschland - Statistisches Bundesamt (destatis.de).

Der im Mai 2021 unter der Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erschienene 6. Armuts- und Reichtumsbericht schlüsselt die Zusammenhänge weiter auf. So zeigt er, dass die Entwicklungstrends der vergangenen Jahrzehnte weiterhin erschreckende Realität sind: In den oberen sozialen Lagen ist große Stabilität zu verzeichnen und Menschen aus den mittleren Lagen gelingt es vielfach auch weiterhin aufzusteigen. Dagegen ist für Menschen, die den unteren sozialen Lagen angehören, die Wahrscheinlichkeit, dieser auch in den folgenden fünf Jahren anzugehören, kontinuierlich gestiegen. Handelte es sich in den 1980ern noch um eine 40 Prozent-Wahrscheinlichkeit, so liegt diese heute bei 70 Prozent (vgl. ebd. XVIII).

Armutsprävention in DKBM-Strukturen einbinden

Datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement kann mit Hilfe seiner Kernkomponenten, dieser Tatsache entgegenwirken. Sie beschreiben die Facetten des DKBM und zeigen mögliche Handlungsansätze auf. Beispielhaft werden in diesem Artikel die Vernetzung, das Bildungsmonitoring sowie die Koordination/Steuerung aufgegriffen.

Die fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit im DKBM bietet die Möglichkeit, verschiedene Aspekte von Armut zu bearbeiten. Bereits ein Aufgreifen der Thematik erhöht die Sensibilität der Akteurinnen und Akteure. Im gemeinsamen Diskurs können ein übergreifendes Verständnis entwickelt und daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Auch in der Arbeit mit externen Akteurinnen und Akteuren der Bildungslandschaft kann das Thema Armut eingebunden werden. Besonders wertvoll sind in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Blickwinkel auf Armut, die zeigen, dass eine typisch verwaltungsseitige Analyse, zum Beispiel die SGB II-Quote, nur einen Teilbereich abbildet: Armut ist ein schambehaftetes Thema, welches Betroffene häufig versuchen zu verdecken (vgl. zum Beispiel Becker/Gulyas 2012).

Präventionsdilemma mit gezieltem Monitoring begegnen

Um die Folgen von Armut zu minimieren und Chancengerechtigkeit zu fördern, werden häufig passgenaue Angebote und Maßnahmen entwickelt und finanziert, welche die kommunalen Haushalte belasten. Dazu können Beratungsangebote in Krippen und Kitas ebenso zählen wie Sprachförder- und Bewegungsangebote oder eine Wochenbettbetreuung. Dabei ist festzustellen, dass häufig diejenigen Personengruppen, die vorrangig mit den Maßnahmen erreicht werden sollen, an diesen nicht teilnehmen, was in der Literatur als Präventionsdilemma beschrieben wird (vgl. Bauer 2005, S. 74). Das kommunale Bildungsmonitoring kann dies gezielt aufgreifen, indem beispielsweise die Teilnehmenden der Präventionsangebote in Bezug auf bestimmte Indikatoren, die auf Armut verweisen, wie ein ALG II-Bezug, analysiert werden. So kann festgestellt werden, wie stark das Präventionsdilemma bei konkreten Maßnahmen in Erscheinung tritt. Eine Diskussion der Ergebnisse, zum Beispiel in Netzwerken mit externen Akteurinnen und Akteuren, kann mögliche Ursachen offenlegen. Gemeinsam können so Lösungen entwickelt werden, um möglichst effektiv die gewünschte Zielgruppe zu erreichen. Erfolgt die Datenerhebung kontinuierlich über einen längeren Zeitraum, kann außerdem die Wirkung der Lösungsansätze überprüft werden und so die Qualität und Wirkung der Präventionsmaßnahmen mithilfe des DKBM gemessen werden.

Präventionsketten und DKBM: Synergieeffekte nutzen

Das Konzept der Präventionsketten greift die Erarbeitung einer kommunalen Strategie sowie eine koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Akteurinnen und Akteure, die gemeinsam das Ziel verfolgen, Kindern und Familien aus sozioökonomischen Risikolagen die bestmöglichen Chancen zu ermöglichen, auf. Der damit verfolgte Ansatz weist damit große Parallelen zum datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement auf: So sollen abgestimmte Strategien und gemeinsam getragene Konzepte erarbeitet und die kommunalen Akteurinnen und Akteure sowie Angebote und Maßnahmen wirksam aufeinander abgestimmt werden. Zentral sind dabei der Vernetzungsgedanke sowie eine inhaltliche und strategische Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen (vgl. Werkbuch Präventionsketten). Hier zeigt sich, dass DKBM-Strukturen eine ideale Grundlage für den Aufbau von Präventionsketten darstellen. Um ressourcenaufwändige Doppelstrukturen zu vermeiden und Synergien zu fördern, ist eine Zusammenarbeit beider Ansätze anzustreben, insbesondere auch dann, wenn die Koordination in jeweils unterschiedlichen Verwaltungseinheiten erfolgt.

Fazit: DKBM liefert Beitrag zur Armutsprävention

Da Bildungserfolg und Armutsprävention eng miteinander verknüpft sind, kommt kommunalen Bildungslandschaften eine hohe Bedeutung zu. Datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement kann dabei einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Chancengerechtigkeit liefern. Die fachbereichsübergreifende Bearbeitung von Themen sowie der Aufbau und die Koordination von Netzwerken sind wichtige Grundlagen und werden in ähnlicher Form auch beim Konzept der Präventionsketten verfolgt, weshalb eine enge Vernetzung anzustreben ist. Das Präventionsdilemma kann zwar nicht grundsätzlich aufgelöst, durch Monitoring jedoch verringert werden. DKBM liefert somit einen wichtigen Beitrag zur kommunalen Armutsprävention und Chancengerechtigkeit.

Autorin: Anna-Margaretha Stascheit, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen