Newsletter Transferkompakt September 2015
Thema: Bildung vernetzt denken - Bildungsregionen in Deutschland
Das niedersächsische Programm „Bildungsregion in Kooperation mit dem Land“ ist bundesweit nicht das einzige seiner Art. Auch in anderen Bundesländern gibt es unter ähnlichen Begriffen Konzepte und Förderprogramme zur Bildungssteuerung, die teilweise bereits seit vielen Jahren praxiserprobt sind. Dabei ist die Grundstruktur immer gleich: Die Einrichtung eines Steuergremiums sowie die koordinierende Funktion einer Geschäftsstelle sind zentrale Elemente der Programme. Genau diese Strukturelemente sind es auch, die den besonderen Mehrwert der Bildungsregionen ausmachen. Der systematische Austausch zwischen externen und internen Akteuren, die Schaffung von Transparenz regionaler Angebote und Ansätze sowie die gemeinschaftliche Verständigung über einen zentralen Bildungsbegriff sind nur einige positive Aspekte, die daraus entwickelt werden konnten.
Interessant ist die Einbindung dieser Programme und ihre Akzeptanz in den Kommunen. Es gehört zu den permanten Aufgabenstellungen der Kommunen, bei Finanzierungsbetrachtungen auch die sinnvolle Verzahnung von unterschiedlichen Initiativen anzustreben. Wenn wir also von guten Ansätzen lernen wollen, betrachten und bewerten wir die gegebenen Rahmenbedingungen. Mit diesem kurzen Überblick zu den unterschiedlichen Landesprogrammen geben wir Hintergrundinformationen für die Arbeit in den Kommunen: Die landesseitig organisierten Strukturen bieten für Kommunen eine reichhaltige Quelle guter Beispiele für die kommunale Bildungsarbeit. Durch die teilweise langjährigen Erfahrungen und gut strukturierte Systeme gibt es Ansprechpartner, Sachstandsberichte und Anknüpfungspunkte insbesondere für Kommunen, die sich erstmals auf den Weg machen, die Steuerung von Bildung im Rahmen eines kommunalen Bildungsmanagements in die Hand zu nehmen. Die Transferagentur Niedersachsen begleitet Landkreise und kreisfreie Städte dabei, diesen Weg zu gehen, Ansprechpartner zu eruieren und gute Beispiele für die eigene kommunale Arbeit aufzubereiten.
Baden-Württemberg:
Landesprogramm Bildungsregionen
Das Land startete 2006 mit Unterstützung der Bertelsmann-Stiftung ein Pilotprojekt zur regionalen Bildungsvernetzung. Ziel waren neben der Entwicklung eines aktiven Netzwerks aller für Bildung relevanten Akteure einer Region auch die Verbesserung von Lern- und Lebenschancen junger Menschen entlang ihrer (Bildungs-)Biografie. Als Zielregionen sind Landkreise und kreisfreie Städte definiert. Mittlerweile wurde aus dem Projekt eine verstetigte Programmatik, die von über 20 Kommunen genutzt wird. Die Einrichtung einer regionalen Steuergruppe und eines regionalen Bildungsbüros als „Herzstück“ sind strukturelle Grundbedingungen.
Das Landesinstitut für Schulentwicklung Baden-Württemberg koordiniert im Auftrag des Kultusministeriums Baden-Württemberg die Bildungsregionen. Jährlich werden ca. 2 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Von Landesseite wird eine volle Lehrerstelle für die Aufgabe der Bildungskoordination abgeordnet. Die Kommune verpflichtet sich, ebenfalls eine volle Personalstelle (ca. 45.000 Euro jährlich) sowie Räumlichkeiten und Sachmittel einzubringen.
Bayern:
Initiative "Bildungsregionen in Bayern"
Der Freistaat Bayern zielt darauf ab, „die Zukunft der jungen Menschen in der Region mit einem passgenauen Bildungsangebot zu sichern, das ihnen die Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Teilhabechancen ermöglicht.“ Bildungslandschaften sollen durch vernetztes Arbeiten gestaltet werden, um ganzheitliche Bildungsprozesse zu forcieren. Dabei werden auch die Organisation der Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit des bayerischen Schulsystems ins Auge genommen. Landkreise und kreisfreie Städte organisieren für alle Beteiligten direkt vor Ort Dialogforen und bilden in der Folge Arbeitskreise, die ein regionales Konzept erarbeiten. Die enge Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe – über den örtlichen Jugendhilfeausschuss hinaus – wird dabei besonders betont.
Seit Mitte 2012 vergibt das Land sogenannte „Gütesiegel Bildungsregion“ für Landkreise und kreisfreie Städte, die diese Voraussetzungen erfüllen. Mittlerweile haben 64 von 96 Kommunen das Siegel erhalten (Stand März 2015). Landeskoordinatoren unterstützen die Einrichtung der Bildungsregion. Seitens des Landes werden keine Personal- oder Sachkosten gefördert oder Stellenabordnungen vorgesehen. Auf der Ebene der bayrischen Regierungsbezirke werden „Austauschforen“ organisiert, die den teilnehmenden Kommunen eine breite Vernetzung mit anderen Bildungsregionen ermöglichen sollen.
Niedersachsen:
Bildungsregionen in Niedersachsen
Das 2014 von zahlreichen kommunalen Vertretern mitentwickelte „Rahmenkonzept für Bildungsregionen in Niedersachsen“ wurde zentral über das Niedersächsische Kultusministerium (MK) gesteuert. Unter fachlicher Anleitung der Universität Hildesheim entstand so ein gemeinschaftlich abgestimmtes Konzept, das die grundsätzliche Zusammenarbeit von Land und Kommune beschreibt. Neben MK und Kommunen waren auch die kommunalen Spitzenverbände und die Landesschulbehörde an der Entwicklung des Rahmenkonzepts beteiligt. Die Qualifizierung der Mitarbeiter/innen wird über das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) organisiert.
Das Land Niedersachsen stellt nachhaltig Mittel zur Verfügung, alle Landkreise und kreisfreien Städte mit einer halben abgeordneten Lehrkraft in der Bildungsregion auszustatten. Ab 2017 sind jährlich 2 Millionen Euro an Mitteln geplant. Die Landkreise verpflichten sich, die sächliche und räumliche Ausstattung des kommunalen Bildungsbüros sicherzustellen. Außer der Geschäftsstelle „Bildungsbüro“ ist die Einrichtung eines „strategisch koordinierenden Gremiums“ obligatorisch. Aktuell sind 28 von 46 Landkreisen und kreisfreien Städte in 24 Bildungsregionen organisiert.
Nordrhein-Westfalen:
Regionale Bildungsnetzwerke
Mit einer systematischen Kooperation aller Bildungsakteure vor Ort sollen in den nordrhein-westfälischen Bildungsnetzwerken gelingende Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen unterstützt und eine auf Konsens ausgerichtete Kommunikations- und Kooperationsstruktur in staatlich-kommunaler Verantwortungsgemeinschaft entwickelt werden. Die kommunalen Spitzenverbände und das Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen zeigen sich maßgeblich für die Entwicklung dieser Bildungsnetzwerke verantwortlich. Bereits 1995 veröffentlichte die Bildungskommission NRW das Konzept der „Regional gestalteten Bildungslandschaft“.
Seit dem Jahr 2008 werden Verträge zwischen Land und Kreisen bzw. kreisfreien Städten geschlossen. Hierin verpflichten sich die Kommunen, Bildungskonferenzen auszurichten, einen Lenkungskreis einzuführen und ein regionales Bildungsbüro zu betreiben. Während der Kreis die personelle und sächliche Ausstattung der regionalen Geschäftsstelle sichert, stellt das Land zusätzliches pädagogisches Personal im Umfang von einer vollen Stelle zur Verfügung. Die Ausschreibung und Besetzung der Stelle erfolgen im Einvernehmen mit dem Lenkungskreis und werden für fünf Jahre terminiert.
Thüringen:
Nelecom – Modellvorhaben „Neue Lernkultur in Kommunen“
Mit dem thüringischen Modellvorhaben „Neue Lernkultur in Kommunen“ (Nelecom) wird das Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ um die Dimension „Kommune“ erweitert. Die Gestaltung von kommunalen Sozialräumen als entwicklungsfördernde Lern-Landschaften stehen im Fokus des Programmes. Kommune wird dabei etwas umfassender als „Community“ verstanden, bewegt sich also nicht ausschließlich auf Verwaltungsebene.
Ab 2008 wurden vier Pilotkommunen eingerichtet. Bis 2014 konnten in fast allen Kommunen „Koordinatoren“-Stellen eingerichtet werden, die seit 2015 durch eine Netzwerkstelle im Institut für Lehrerfortbildung zentrale Unterstützung erhalten. Finanz- oder Personalmittel für die Kommunen werden nicht vorgehalten.
Weitere Bundesländer
In den weiteren Bundesländern sind keine landesseitig gesteuerten Vernetzungsprogramme oder -projekte implementiert. Jedoch werden oftmals durch landesweite Aktions- und Forschungsprogramme Entwicklungsperspektiven aufgezeigt, die immer auch die Dimension „Bildung“ mitabbilden. Dies kann im Bereich der Wirtschaftsförderung genauso geschehen wie durch einen durch kommunale Spitzenverbände initiierten Zusammenschluss der Visionsentwicklung.
Die Begriffe „Bildungsregion“ und „Bildungslandschaft“ werden dabei sehr unterschiedlich eingesetzt. So wird damit nicht nur die kommunale Steuerung im Bildungsbereich bezeichnet, auch Zusammenschlüsse von freien Bildungsanbietern oder ausschließlich auf Landesebene implementierte Programme nutzen die Begriffe, um verschiedenste Organisationskonstrukte zu betiteln.