Newsletter Transferkompakt Mai 2016
Thema: Weichen stellen für die Integration.
Das Thema der Sprachbildung für Flüchtlinge als kommunales Handlungsfeld wurde auf einer gemeinsamen Tagung mit der Evangelischen Akademie Loccum diskutiert.
Entlang von Themeninseln tauschten sich zu Beginn der Veranstaltung die 125 Teilnehmenden aus den Bereichen Kommunen, Schulen, Bildungsträgern, Arbeitsagenturen, Kirchen und Verbänden über die aktuelle Entwicklung in ihren Regionen aus. Es herrschte Konsens, dass Integration von Anfang an durch frühe Sprachbildungsangebote anzustreben ist.
Die Kommunen sind der Ort, an dem die entscheidenden Weichen für Spracherwerb, Bildung, Integration und Teilhabe gestellt und gestaltet werden. Mit einem übergreifenden kommunalen Bildungsmanagement, welches zentral die Koordination von Institutionen, Akteuren und Angeboten zum Ziel hat, besteht bereits ein konzeptioneller Ansatz zur Weiterentwicklung von kommunalen Bildungslandschaften. Bei diesem Prozess können die Landkreise und kreisfreien Städte unterstützt werden durch die Einrichtung bzw. Weiterentwicklung einer Bildungsregion mit dem Land, durch die Angebote der Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement Niedersachsen sowie durch Förderprogramme des Bundes.
Flüchtlinge werden die Fachkräftelücke in Deutschland kurzfristig nicht schließen. Dr. Jens Ruhose warnte vor überzogenen Hoffnungen, die demografisch bedingten Probleme des Beschäftigungssystems durch die gegenwärtige Zuwanderungswelle lösen zu wollen. Umgang mit Super Diversity - vom Projekt zur kommunalen Gesamtstrategie: Christa Frenzel, Sozialdezernentin der Stadt Salzgitter, und Dr. Lutz Liffers, Transferagentur Großstädte, plädierten in ihren Beiträgen für den Ausbau kommunal gesteuerter und verantworteter Sprachbildung und Qualifizierung.
In vier Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Fokussetzungen wurde ein Forum für den Austausch über die Perspektiven kommunaler Integrations- und Teilhabepolitik geschaffen, deren Inputs und wichtigste Ergebnisse im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen
Input: Koordination von Sprachbildung in Kitas in der Bildungsregion Emsland
Die Qualität der frühkindlichen Bildung war seit jeher eines der Kernthemen der Bildungsregion Emsland. Im Jahr 2012 wurden die Kindertagesstätten als Mitglieder in die Bildungsregion aufgenommen, so dass heute 162 Schulen und 123 Kitas als Mitglieder in der Bildungsregion gezählt werden können. Die Sprachförderung in der Bildungsregion wurde im zweiten Teil der Präsentation von Sigrun Theile, Fachberaterin für Sprachbildung und Sprachförderung, und Jörg Vollbrecht, Leiter Bildungsbüro Bildungsregion Emsland, erläutert. Derzeit werden 25 dezentral agierende "Sprachexpertinnen" gefördert, die insbesondere die alltagsintegrierte Sprachbildung in den Einrichtungen, die fachliche Beratung und Begleitung der Teams sowie die Zusammenarbeit mit Eltern forcieren sollen. Als Grundlage für die gemeinsame Arbeit von Landkreis-Kräften in Einrichtungen unterschiedlicher Träger wird auch das trägerübergreifend abgestimmte Qualitätsverständnis der Kindertagesstätten gesehen, welches im Rahmen der Bildungsregion erstellt werden konnte.
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit
1. Akteure: Nicht nur die Träger der Einrichtungen, auch die darin Beschäftigten müssen identifiziert, informiert und in alle Prozesse einbezogen werden. Politische und strategische Akteure sollten sich möglichst der Praxis nähern, um diese am eigenen Leib kennen zu lernen (Hospitationen als adäquates und einfach realisierbares Mittel). Auch die Schnittstellen sollten nicht vergessen werden. Letztlich müssen auch Ehrenamtliche und andere Akteure mitgedacht werden.
2. Konzepte: Insbesondere müssen Konzepte für Übergänge geschaffen werden, die allen Einrichtungen gleichermaßen vorliegen sollten. Dabei sind Rahmenkonzepte als Leitlinien anzusehen, die individuellen Anpassungen unterliegen können. Weiterhin sind konkrete Vereinbarungen zwischen Kommune und Träger gute Mittel, um diese Standards einzuhalten und Absprachen festhalten zu können. Innerhalb der Kommunalverwaltung können Tandems aus inhaltlich verantwortlichen Personen und verwalterisch geschulten Personen eine gute Ergänzung sein.
3. Sprachbildungszentren und Bildungsregion: Der Wunsch wird formuliert, die SBZ in Netzwerkarbeit einzubinden und den Auftrag transparent zu gestalten, um den örtlichen "Mikrokosmos" verschiedenster Bildungsvernetzungen wertschätzend wahrnehmen zu können. Die Bildungsregionen hingegen sollten die Sprachbildungszentren in ihre Strukturen einbinden, in Arbeitsgruppen beteiligen und so zum Teil einer lebendigen Bildungslandschaft werden lassen.
4. Kommunales Bildungsmanagement: Trotz des gering erscheinende Erfahrungsschatzes werden von allen Beteiligten Zahlen, Daten, Fakten als Grundlage für ein effektives Arbeiten angesehen. Darüber hinaus verspricht man sich von einem Datenmonitoring eine kontinuierliche Evaluation bestehender Bemühungen.
Input: Verknüpfung schulischer und kommunaler Unterstützungsangebote für Zuwanderer auf der Grundlage eines ganzheitlichen Rahmenkonzepts für Sprachbildung und Sprachförderung
Juliane Macke, Sprachkoordinatorin für den Landkreis Osnabrück der Volkshochschule Osnabrücker Land, stellte das Rahmenkonzept des Landkreises für eine durchgängige Sprachbildung und Sprachförderung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor. Einen zentralen Baustein stellt dabei das in diesem Zusammenhang entwickelte Angebotsportfolio dar, mit dem ergänzend zu den bereitgestellten Ressourcen des Landes in Kita, Schule und im Erwachsenenbereich Spracherwerbsunterstützung in der Fläche des Landkreises ermöglicht werden soll. Insgesamt gesehen wurde eindrucksvoll dargestellt, wie die Einbindung des Themenfelds der Sprachförderung in das Gesamtkonzept eines kommunalen Bildungsmanagements erfolgreich gelingt.
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit
1. Akteure: Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit vielen Vernetzungsstrukturen. Wichtig dabei ist, dass die für den eigenen Tätigkeitsbereich relevanten Netzwerkpartner bekannt und die Schnittstellen definiert sind. Eine strukturierte Koordinierung des Gesamtnetzwerks ist unerlässlich.
2. Konzeption: Zentral ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Bildungs- und Integrationskonzepts mit Sprachförderung als Schlüsselelement. Koordinierung ist wichtig mit Blick auf eine ganzheitliche Integration, der methodische Vorschlag hierzu lautete zentrale Erstberatung als Schlüsselelement.
3. Sprachbildungszentren und Bildungsregion: Netzwerkarbeit ist fundamentales Element einer Bildungsregion. Die SBZ sollten als ein Element in das Gesamtkonzept der Bildungsregion vor Ort integriert werden. Ein effizientes Netzwerk ist wesentliche Bedingung.
4. Kommunales Bildungsmanagement: Daten werden als zentrales Steuerungselement gesehen, wobei die NLSB ein wesentlicher Akteur ist. Der Datenfluss zwischen Schulträger, Bildungsregion, Schulen und Landesschulbehörde muss koordiniert werden.
Input: Bildung für junge Menschen mit Fluchterfahrung - Jugendhilfeeinrichtung STEP by STEP - Ankommen in Wolfsburg
Der Vortrag von Edda Gödecke, Projektleiterin Staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft der Stadt Wolfsburg, veranschaulichte, was Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung in den ersten Monaten in Deutschland besonders benötigen. Als 3-jähriges Projekt im Herbst 2015 gestartet und mit einem Träger der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt, werden momentan 30 Jugendliche (hauptsächlich uMF) begleitet. Für diese Zielgruppe ist gerade für das Ankommen kontinuierliche Bezugspersonen sehr wichtig. Dementsprechend setzt sich das Team multiprofessionell zusammen - aus einem Betreuungsnetzwerk aus Psychologen, Sozialarbeitern, Lehrern und Dolmetschern, die das Ankommen und das "Erlernen" der ersten Schritte in der fremden Umgebung Deutschland erleichtern. Ein Durchlauf dauert 3-4 Monate, die intensivst genutzt werden, einen guten Übergang von der Jugendhilfeeinrichtung zur Schule zu gewährleisten. Dieser wird durch die enge Kooperation zwischen dem Team und der aufnehmenden Schule erleichtert.
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit
1. Akteure: Es muss darauf geachtet werden, dass nicht jeder Akteur wie eine Insel ist. Ziel sollte es sein, alle relevanten Akteure der gesamten Bildungskette mit ins Boot zu holen, auf Augenhöhe zu begegnen, zu vernetzen. Dabei gilt es Doppelstrukturen zu vermeiden und Synergieeffekte zu erzeugen.
2. Konzeption: Es gibt schon eine Vielzahl von Konzepten, mangelt aber oftmals an der Umsetzung, da es z.B. zu wenige Lehrkräfte mit entsprechender Ausbildung gibt. Daraus wurde gefolgert, dass in diesem Bereich mehr Fortbildungen für Lehrer angeboten werden müssen.
3. Sprachbildungszentren und Bildungsregion: Es braucht eine Rollenklärung mit einem verbindlichen Mandat: WER macht WAS? Auch ein regelmäßiger Austausch ist unabdingbar für Synergieeffekte. Dafür braucht es Transparenz, nachvollziehbare Kommunikationswege und Strukturen. Nur so können beide ineinandergreifen und Potenziale erkennen und nutzen.
4. Kommunales Bildungsmanagement: Es ist schwierig und zeitaufwendig, alle relevanten Daten eines Schülers zu erfassen. Wünschenswert wäre es, schon vorab zu wissen, ob oder in welchem Umfang er alphabetisiert ist, ob er im Heimatland eine Schule besucht hat und welchen sozialen Hintergrund er hat. Ziel sollte es sein, eine gemeinsame Datenbasis zu schaffen, um eine Durchgängigkeit gewährleisten zu können und auch ein Schulwechsel problemlos verlaufen kann.
Input: STEP IN: Individuelle Begleitung für zugewanderte Jugendliche beim Übergang Schule-Beruf im Landkreis Lüneburg
Karin Kuntze von der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe des Bildungs- und Integrationsbüros Lüneburg hat das Projekt Step In vorgestellt. Dieses ist ein kultursensibles Programm, bei dem die zugewanderten Schüler/innen der BBS Sprachlernklasse (SPRINT) in die berufliche Qualifizierung hinein individuell begleitet werden. Hintergrund des Projektes ist das Ergebnis einer Erhebung (Schuljahresende 2014/2015) , in der festgestellt wurde, dass die meisten Schüler/innen im Übergangssystem verblieben oder die Berufsschule ohne Abschluss verließen. Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Bildungswünsche nicht den realen Möglichkeiten entsprachen und darüber hinaus die Bereitschaft der Unternehmen Zugewanderte aufzunehmen teilweise fehlte. Das Bildungs- und Integrationsbüro hat das Programm entwickelt und koordiniert nun sämtliche Vernetzungsaktivitäten und Weiterentwicklungen. Das Projekt ist noch in der Erprobungsphase und kann aber bereits erste Wirkungen und Erfolge nachweisen.
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit
1. Akteure: Die Akteure müssen entsprechend des gewählten Ausschnitts des Handlungsfeldes und des Bedarfes identifiziert werden, mit dem Ziel, Perspektiven für die Betroffenen zu schaffen und die Integration zu fördern.
2. Konzepte: Verschiedene Konzeptarten sind zu differenzieren, nämlich diejenigen mit dem Selbstzweck "ein Projekt zur Verlängerung eines vorherigen Projekts" oder diejenigen die für Betroffene konzipiert sind. Fröhliches Dilletieren führt über einen Tisch, eine Sprache und einem Ziel zu einer gemeinsamen temporären Identität mit regionalen Akteuren. Durch hilfreiche Denkanstöße entstehen Ideen, die mit guten Argumenten zu einem Auftrag weiterentwickelt werden können.
3. Sprachbildungszentren und Bildungsregion: Eine gemeinsame Vernetzung sollte gesucht werden, weitere Träger von Sprachkursen dabei jedoch nicht vernachlässigt werden.
4. Kommunales Bildungsmanagement: Alle, die mit Zugewanderten zu tun haben, erfassen zunächst Daten. Daten sind zur Planung und zur Steuerung relevant und bedürfen einer gewissen Aktualität. Grundsätzlich sollte ein wohlüberlegter und zielgerichteter Datenaustausch angedacht werden, um ein Monitoring aufzubauen, dabei sollte der Datenschutz jedoch nicht außer Acht gelassen werden.
Weitere Informationen:
Den Ergebnisbericht von Andrea Grimm, Studienleiterin für Jugend- und Bildungspolitik an der Evangelischen Akademie Loccum, lesen Sie im Magazin TRANSFERkompass Migration, das Sie ab Mitte Juni hier kostenlos bestellen können.