NACHBERICHT DES FACHTAGES Migration
Bildungsangebote für Neuzugewanderte koordinieren.

Impuls: Das kommunale Bildungsmanagement als Lösungsansatz für gelingende Integration durch Bildung

Eine Einführung in das Zusammenspiel zwischen kommunalem Bildungsmanagement und gelingender Integration vor Ort gab Prof. Dr. Stephan Maykus von der Hochschule Osnabrück. Seine Hauptbotschaft war, die Welt des kommunalen Bildungsmanagements nicht neu zu erfinden, sondern bestehende Prozesse auch für die aktuelle Thematik der Integration zu nutzen und – im Sinne der Entlastung – Strukturen aufzubauen, die dauerhaft bestehen und zu den Gegebenheiten passen. Bildungsmanagement kann dabei die Handlungsfähigkeit erhöhen: Verwaltung und Bildungsplanung systematisieren Wissen mithilfe von Daten. Das Bildungsmanagement baut eine Netzwerkstruktur auf und schafft mit dem Bildungsbüro eine entsprechende Instanz. Durch eine Brücke zwischen Planung und einem Ohr an der Bildungspraxis wird eine kommunale Gesellschaftsentwicklung ermöglicht. Es gelte, Empirie, Reflexion und Kommunikation als „Erfolgsdreieck der Planung“ zu fördern, indem Daten nicht nur genutzt, sondern auch erklärt und kommunikativ gestützt werden. Dafür brauche es die politische Verankerung des Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene, eine grenzüberschreitende Verständigung und Zusammenarbeit der verschiedenen Zuständigkeitsbereiche, die Positionsklärung zum eigenen Bildungsverständnis sowie Wissenserschließung und eine öffentliche Sichtbarmachung, vor allem der Erfolge.

Als wichtige Voraussetzung für die Gestaltung von Strukturen vor Ort benannte Prof. Dr. Maykus das Entwickeln von Planungsgruppen und das Bilden eines dauerhaften Netzwerkes aus Politik, Verwaltung und den Menschen in den Stadtteilen. Er ergänzte den oft propagierten Leitgedanken „aus Daten Taten folgen zu lassen“ um den Aspekt „Taten, die wir dann mit vielen beraten“. Denn die Bedarfsbestimmung, der Austausch darüber, was gemacht werden soll, was wichtiger ist als anderes und was wie zu organisieren ist, stellt für ihn eine Schlüsselphase im Management vor Ort dar, gefolgt vom gelebten Umsetzen in Kooperationsstrukturen, möglichst mit kleinen Schritten und erfahrbaren Erfolgen. Welche Bausteine gefordert sind, um als Kommune eine inklusive Gemeindeentwicklung zu fördern, fasste Prof. Dr. Maykus in einer Matrix zusammen: Im Rahmen der Initiierung wird einer Leitidee Gestalt gegeben. Sozial- und Bildungsplanung kommunizieren Stand, Bedarf und Ziele. Entwicklung und Partizipation lassen Praxisprozesse greifbar werden und das kommunale Management prüft diesen Bauplan stetig und passt ihn bei Bedarf an. Insbesondere die partizipativen Aspekte sind dabei ein Zukunftsthema und sollten viel mehr Teil kernpädagogischen Handelns werden, was in der anschließenden Diskussion zugleich als eine der größten Herausforderungen für Kommunen benannt wurde.

Impuls: Bildungsmanagement in der Förderlandschaft - mehr Ressourcen für Integration

Wie kann die Verzahnung von migrations- und bildungsrelevanten Strukturen im Rahmen des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements gelingen? Und welche Möglichkeit der Unterstützung gibt es dabei? – Diesen Fragen widmeten sich Dr. Svetlana Kiel und Dr. Friederike Meyer zu Schwabedissen von der Transferagentur Niedersachsen in ihrem Vortrag. Zunächst zeigten die beiden Transfermanagerinnen auf, wie einzelne Komponenten des Bildungsmanagements um Aspekte der Integration sinnvoll ergänzt werden können: So sollte die bestehende Strategie um spezifische Leitziele bezüglich Neuzugewanderter erweitert werden. Im Rahmen der Datenbasierung sind eine Zusammenstellung der Daten Neuzugewanderter sowie ein Überblick über ihre speziellen Bedarfe und Angebote erforderlich. Etablierte Organisations- und Kommunikationsstrukturen sollten verstärkt integrationsspezifische Ämter und Akteure miteinbeziehen, sodass das Schnittstellenmanagement dahingehend erfolgreich erweitert wird. 

Um die Kommunen bei diesem Prozess finanziell und personell zu entlasten, bieten Bund und Land verschiedene Förderungen an: Das Programm der Bildungsregionen (Land Niedersachsen) beispielsweise unterstützt durch eine strukturierte Vernetzung die Platzierung des Integrationsgedankens, ganz im Sinne der kommunikativen Öffentlichkeit von Prof. Dr. Maykus. Die bereits geschlossene Förderung „Bildung integriert“ (Bund) ermöglicht, auch Zahlen für ein gelingendes datenbasiertes Integrationsmanagement zu nutzen. Als neuestes Programm ergänzt die „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ (Bund) das Bildungsmanagement um die Bedürfnisse der Zielgruppe Neuzugewanderter. Die bundesweite Transferinitiative begleitet Kommunen beim Aufbau eines kommunalen Bildungsmanagements. Die Transferagentur Niedersachsen bietet die Unterstützung beim Aufbau handlungsleitender Gesamtstrategien für die Verzahnung von Integrations- und Bildungsmanagement an. So können durch eine möglichst sinnvolle und den Bedarfen der Kommune angepasste Kombination der Unterstützungsformate mehr Ressourcen für Integration geschaffen werden. 

Forum I: Koordination von Ehrenamt und Hauptamt – Best Practice Landkreis Cloppenburg

Bereits Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre verzeichnete der Landkreis Cloppenburg einen hohen Zuzug von Russlanddeutschen, der einen Bevölkerungszuwachs von circa 30.000 Personen bedeutete. Die damit einhergehenden Herausforderungen der Integration bildeten Aufgabenstellungen für die unterschiedlichen Akteure, schilderten Dr. Christina Neumann und Mina Amiry. Unter anderem gründete sich eine Integrationslotsen-Initiative, die 2007/2008 erstmalig Integrationslotsen ausbildete. Die zentrale Stelle ist seit 2011 der Verein „Integrationslotsen im Landkreis Cloppenburg e.V.“, der aufgrund der engen Kooperation mit einem eigenen Büro an der VHS ansässig ist. In den folgenden Jahren wurden seitens des Landkreises die Unterstützung für das Engagement mit einem Kooperationsvertrag ausgebaut und weitere Regionalbüros eingerichtet.

Derzeit sind die Lotsen überwiegend als Sprachmittler tätig. Sie unterstützen die ankommenden Personen bei Behördengängen, Arzt- oder Schulbesuch und werden von der Verwaltung als Sprachassistent/-in angefragt. Ein großer Vorteil der Integrationslotsen im Landkreis Cloppenburg liegt in der sprachlichen und beruflichen Vielfalt sowie dem Ehrenamt als Ursprungsidee. Mit dem persönlichen Engagement der Personen konnte in Cloppenburg viel bewegt werden, zum Beispiel übernimmt jeder Integrationslotse auch die Koordinierung eines eigenen Projektes. Die Einbindung in „Runde Tische“, Netzwerke, regelmäßige Rücksprachen sowie die Weiterbildung der Integrationslotsen wurde auch von den Teilnehmenden des Forums betont, um den Informationsaustausch und die Professionalität der Lotsen zu sichern. Dabei müssen auch der Handlungsspielraum und die Grenzen der Zuständigkeit geklärt sein.

Forum II: Frühkindliche Bildung – Sprachfo(e)rderung im Landkreis Leer

Das Projekt „Willkommen in der Kita“ ist von Nicole Rieken und Veronika Greipl aus dem Landkreis Leer als zentraler Bestandteil des Sprachförderkonzeptes vorgestellt worden. Ende 2015 beginnend unterstützt es knapp 50 Kita-Kinder aus Familien mit Fluchthintergrund und fremdsprachige Kinder beim Einstieg in die deutsche Sprache und das Bildungssystem. Von der Einrichtung angeforderte Kita-Lotsen begleiten neu aufgenommene Kinder in einer 1:1 Betreuung bis zu vier Wochen, um an den Kita-Alltag und die deutsche Sprache heranzuführen. Team-Lotsen haben die gesamte Kita im Blick – sie informieren und beraten das pädagogische Fachpersonal beispielsweise in Fragen von Flucht und Trauma, zu rechtlichen Rahmenbedingungen und sind auf der übergeordneten Ebene für Netzwerk-Kooperationen (zum Beispiel mit Kita-Leitungen, Frühen Hilfen) und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Aus der anschließenden Diskussionsrunde ging hervor, dass das Vorhaben im Wesentlichen durch die Fürsprache der Landkreisspitze, die ausreichende finanzielle Ausstattung und die schnelle Ausweitung bestehender Strukturen und vorhandener Konzepte erfolgreich umgesetzt werden konnte. Der Landkreis Leer hatte sich bereits in der Vergangenheit konzeptionell und strukturell im Bereich der Sprachförderung gut aufgestellt. So war es innerhalb kürzester Zeit möglich, auf bewährte Strukturen aufzubauen und mit deren Weiterentwicklung adäquat auf die neuen Herausforderungen bei der Integration von Neuzugewanderten in die Kita zu reagieren. Neben dem finanziellen Ressourceneinsatz des Landkreises für diese Sprachfördermaßnahmen beteiligt sich das Land Niedersachsen durch das Förderprogramm „Gut ankommen in Niedersachsen“ an den Gesamtkosten.

Forum III: Eckpunkte der Neukonzeption der Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen in Münster

In Münster wurde die Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen neu konzipiert. Aud Riegel von der Stadt Münster stellte die Eckpunkte des Konzeptes vor. Grundgedanke ist es, in einer erweiterten Schulträgerschaft die Rahmenbedingungen zur schulischen Integration zu verbessern und durch die Entkopplung des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Die aufgebaute  tragfähige Struktur ermöglicht es, neu zugewanderte Schüler/-innen zeitnah und potenzialorientiert zu beschulen. Ein wesentliches Element ist die zentrale Anlauf-, Beratungs- und Clearingstelle, deren Aufgabe die individuelle Schullaufbahn- und Potenzialberatung zur Ermittlung der passenden Schulform ist. Verschiedene Unterstützungsstrukturen für Schulen, für die Seiteneinsteiger und ihre Familien, wie beispielsweise Dolmetschende, ergänzende (Sprach-)Bildungsprogramme, Fortbildungen für Lehrkräfte oder Fallscouts, gewährleisten Bedarfsorientierung und Angebotsflexibilität. Mit einem Bildungsmonitoring, bezogen auf schulische Neuzuwandernde, wird eine differenzierte Datengrundlage geschaffen, die als Basis einer abgestimmten Bildungsplanung dient.

Die Diskussion zeigte, dass verschiedene Faktoren zum Gelingen beitrugen: Die im Vorfeld der Konzeptentwicklung durchgeführten partizipativen Arbeitskreise führten dazu, dass Verwaltung, Schulaufsicht, Politik und Schulen eine gemeinsame Zielvorstellung zur Integration Neuzugewanderter in das Schulsystem erarbeiten konnten. Wesentlich war auch die Bereitschaft, finanzielle und personelle Ressourcen zur Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Eine Herausforderung ist es, ressortbezogenes Zuständigkeitsdenken zu überwinden und eine Haltung im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die schulische Integration neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher zu entwickeln.

Forum IV: Vorstellung der Projektumsetzung „Interkulturelle Netzwerke – Bildungsbeauftragte“ am Standort Delmenhorst

Dass sich die Kooperation von Kommunen und Migrantenorganisationen lohnen kann, zeigte die Vorstellung der Projektumsetzung „Interkulturelle Netzwerke – Bildungsbeauftragte“ von Lutz Gottwald aus der Stadt Delmenhorst. Dort fördert und organisiert die Stadt Delmenhorst durch die Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe (MuT) seit 2014 unter anderem ein Netzwerk von neun ehrenamtlichen Bildungsbeauftragten, die aus lokalen Migrantenorganisationen berufen wurden. Durch sie sollen junge Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Übergang von der Schule in den Beruf gezielt unterstützt werden. Damit greift man die aus einem Vorgängerprojekt stammende Erkenntnis auf, dass mittels eines Ansprechpartners aus Migrantenorganisationen die Zielgruppe niederschwellig angesprochen werden kann, um sprach- und kulturbedingte Benachteiligungen zu überwinden. Die Bildungsbeauftragten als Vermittler kennen einerseits die Jugendlichen und ihre Familien, vernetzen sich andererseits auf einem monatlichen Netzwerktreffen mit relevanten Personen und Institutionen. Die Koordinations- und Netzwerkarbeit übernimmt der Landkreis. Insbesondere die Aufwandsentschädigungen der Ehrenamtlichen werden über eine Projektförderung des BMBF finanziert.

Die Teilnehmenden brachten in die Diskussion ihre Einschätzungen einer guten Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt ein. Unter anderem müsse darauf geachtet werden, den Ehrenamtlichen durch das Ehrenamt nicht die Perspektive auf eine entlohnte Tätigkeit zu nehmen. Weiterhin wurde betont, dass die neu entstandenen Strukturen, die Partizipation und Engagement bündeln und positiv auf die Gesellschaft wirken werden, auch langfristig gesellschaftliche Aufgaben übernehmen könnten. Es wurde ein Qualifizierungskonzept für Ehrenamtliche vorgestellt, in das Mitarbeitende der Kommunalverwaltung ihre Fachexpertise als Referent/-in einbringen.

Fazit: Förderprogramme und Praxisbeispiele als Lösungsansätze für das datenbasierte kommunale Bildungsmanagement

Praxisbeispiele und Lösungsansätze standen im Mittelpunkt des Abschlussgesprächs mit Michael Fedler, Referat Strategische Planung, Landkreis Osnabrück, und Dr. Marco Schmidt, Projektleiter der Transferagentur.

Michael Fedler betonte die Notwendigkeit einer Einbettung des Themas Migration in eine Bildungsstrategie. So hat der Landkreis Osnabrück schon 2014 aufgrund der starken Zuwanderung aus EU-Ländern ein Migrationskonzept entwickelt, um sich strategisch aufzustellen und Handlungsfelder mit Zielen und Maßnahmen zu hinterlegen. Darin eingebettet werden jetzt die Angebote und Strukturen, die sich im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise ergeben. Für die Arbeit mit internen und externen Partnern kann der Landkreis auf die Netzwerke der drei Bildungsbüros zurückgreifen. Neben der Nutzung dieser örtlichen Strukturen hat auch Monitoring eine hohe Relevanz für die Arbeit des Landkreises. Entscheidend sei, die erhobenen Daten umzusetzen in bedarfsgerechte Maßnahmen – so wie aktuell bei Entwicklung des Migrationszentrums, in dem Begleitung in einer Hand gebündelt wird.

Die Matrix von Prof. Dr. Maykus ergänzte Michael Fedler um den Aspekt der Führung vor Ort, ohne den das Zusammenspiel der internen und externen Schnittstellen und Institutionen nicht funktionieren könne. Dr. Marco Schmidt erweiterte diesen Gedanken eines „Motors“ um den einer „Fahrtrichtung“: Man müsse mit den verschiedenen Akteuren gemeinsame Ziele vereinbaren, insbesondere auch in Bezug auf das Monitoring und den Mehrwert, den die Daten generieren sollen. Die Transferagentur unterstützt dabei zum Beispiel durch das Angebot methodischer Qualifizierung. Denn, so Dr. Schmidt, der größte Schatz an Wissen liege in den Kommunen selbst. Es gehe daher nicht darum, Handlungsempfehlungen in eine Kommune hineinzutragen, sondern vielmehr, diese aus den Kommunen „herauszukitzeln“, mit den lokalen Gegebenheiten umzugehen, auch wenig Ressourcen wertzuschätzen und daraus das Beste zu machen.